Vergaberecht in Brandenburg nicht überfrachten
Eine Einschätzung der Auftragsberatungsstelle Brandenburg e.V. nach der Landtagswahl 2019
Oberstes Ziel und damit Primärzweck des öffentlichen Vergaberechts ist es, Beschaffungsvorgänge öffentlicher Auftraggeber wirtschaftlich zu gestalten. Diese Wirtschaftlichkeit wird durch einen fairen, transparenten Wettbewerb von Unternehmen gewährleistet.
Wettbewerb entsteht, wenn sich möglichst viele Bieter um einen Auftrag bewerben. Das tun sie, wenn sich der Aufwand, den Unternehmen mit öffentlichen Ausschreibungen haben, aus Ihrer Sicht lohnt. Je bürokratischer, komplizierter ein Verfahren, desto weniger attraktiv wird die Teilnahme für Unternehmen. Bereits jetzt klagen viele Bieter über die hohen Hindernisse. Dieses führt insgesamt zu einer geringer werdenden Bereitschaft zur Teilnahme an Vergabeverfahrens der öffentlichen Hand in vielen Branchen. Das schadet dem Wettbewerb und bedingt schlechtere Wirtschaftlichkeit von Beschaffungsvorgängen für die öffentliche Auftraggeber.
Auf der anderen Seite hat die öffentliche Hand eine Vorbildfunktion. Wenn sich schon nicht der Staat der Einhaltung bestimmter gewünschter Ziele verpflichtet fühlt, wie kann es dann von Privaten verlangt werden? Politische Kriterien wie bspw. Frauenförderung oder Mindestentgelt sind seit Jahren gesetzlich verankert, um veränderten gesellschaftlichen Ansprüchen gerecht zu werden und diese zu steuern.
In den Wahlprogrammen der größeren Parteien zur Landtagswahl in Brandenburg fanden sich weitere ökologisch- und sozialpolitische Vorschläge. Neben einer Anhebung des Mindestentgeltes auf 13 EUR, einer Ausweitung von Tariftreueregelungen, verbindliche Vorgaben für Arbeitsbedingungen und Mindestvergütungen für Azubis finden sich auch einige Punkte, die mehr Fragen aufwerfen als Probleme lösen: die Entbürokratisierung des Vergaberechts durch Beschneidung des Binnenmarktes, Aufbau einer Vergabekommission mit Beratungs- und Prüffunktion für Vergabestellen, verschiedene Nachhaltigkeitskriterien wie fairer Handel, klimagerechte Produktion, Erhöhung des Anteils regionaler und ökologischer Lebensmittel, die Einhaltung von Mindeststandards von Produktionsbedingungen im Herkunftsland, Verbot von Kinderarbeit, Ausgleichszahlungen beim Verstoß gegen ein einzuführendes Klimaneutralitätsgebot – die Liste mit Wünschen an das Vergaberecht ist lang. Die Zielstellung reicht von nationaler Abschottung bis „Linderung“ globaler Probleme wie der Regenwaldabholzung.
Unabhängig davon, ob man diesen politischen Zielen folgt oder nicht, sind viele Punkte im Hinblick auf das Auftragsvergabewesen problematisch. Der öffentliche Auftraggeber wird kaum in der Lage sein, deren Einhaltung zu überwachen und zu kontrollieren. Überträgt er die Nachweispflicht auf den Auftragnehmer, wird sich dies nachteilig auf den Wettbewerb und damit die Wirtschaftlichkeit auswirken. Der Staat wälzt eine eigentlich öffentlich-rechtliche Aufgabe zur Durchsetzung vom ihm selbst aufgestellter Standards auf private Unternehmen ab. Kleine und mittelständische Unternehmen – der Großteil der Brandenburger Wirtschaft – werden hierzu weder Willens noch in der Lage sein.
Die Einführung neuer politischer Vorgaben und daran ausgerichteter Vergabekriterien sollte deshalb mit Augenmaß erfolgen. Ein weiterhin enger Auftragsbezug wäre auch aus Sicht von Bietern wünschenswert.
Eine Überfrachtung des Vergaberechts mit politisch gewollten Sekundärzielen sollte in jedem Fall vermieden werden.